homo amans – der liebende Mensch

2. – 5. August 2023

In diesem Moment will ich der Frage nachgehen, was den Menschen zum liebenden macht. Ebenso drängt sich die Frage auf, was Liebe ist, wie wir sie verstehen und leben. Damit sich in uns ein tiefes Empfinden von Übereinstimmen und Wahrhaftigkeit einfindet, ausbreitet, bis in alle Zellen absetzt…

Als Ausgangspunkt Gerald Hüthers Zitat in einem Podcast auf YouTube, worin er sich auf Benediktiner Mönche im Mittelalter bezieht:
              „Liebe ist das unbedingte Interesse am Wachstum des Anderen.“

In anderen Podcasts spricht er von Entfalten. Was darf sich entfalten? Bei wem? Mit welcher Idee? Worin liegt Sinn und eben auch Wahrhaftigkeit? Vielleicht kommen diese Fragen etwas sprunghaft daher… – zeugen sie indes von einer Suche nach Orientierung.

Darum steigen wir in einen Dialog ein, mehr ein Fragespiel innerhalb desselben:

«Wenn du von Liebe sprichst, was ist Liebe?»

              «Ja, das ist nicht ganz einfach, wie ich doch etwas fahrlässig mit diesem Wort herumgesprungen bin. Was ist Liebe, hm? Kein Gefühl, nein das ist es nicht. Eher eine Kraft, aus der ich agiere. Eine Haltung, wie ich allem um mich herum begegne, mir selbst eingeschlossen.
Ja, ein Seinszustand, das habe ich schon so vernommen. Und in mich hinein gespürt, ja, es resoniert jetzt noch. Oder gerade nun wieder, als du mir diese Frage gestellt hast. Vielleicht erscheinen noch weitere Bilder, welche ich dir mitteilen kann – doch im Moment…»

 «Dann frage ich mal weiter und versuche von einer kindlichen Warte, weil es mir freier, unbeschwert, frei von Konzepten, ohne Voreingenommenheit erscheint. Dabei gehe ich von deinen Aussagen aus: Kraft, Haltung und Seinszustand. Ist Liebe dann etwas, was eine Absicht verfolgt?»

              «Nein, sie will nichts erreichen.»

«Liegt ihr ein Motiv zugrunde? Strebt sie auf einen Nutzen hin?»

              «Nein, auch nicht! In mich geschaut nehme ich keine Erwartungen wahr, erkenne keine Vorstellungen, wie etwas zu sein hat. Obschon ich es dir nicht erklären kann, noch nicht, zeigt sich ein Wort: Sinn – wenn ich Liebe fühle – spüren mehr –, empfinde ich etwas Sinnhaftes darin.»

«Auch Kinder entdecken es bereits, mit der Jugend bricht sie manchmal richtig durch  – die Verliebtheit: Wir erfahren besondere, meist neuartige Empfindungen, sagen dem vielleicht Gefühle. Was hat Verlieben mit Liebe zu tun, wie viel Liebe steckt drin?»

              «Von meinen Erfahrungen aus und mit dem, was mein Umfeld mir berichtete, erscheint Verliebtheit, dieses süsse Gefühl, verliebt zu sein, etwas, was sich körperlich zeigt: So vom Bauch heraus; auch irgendwie sinnlich, weil die Sinne schon etwas gar rosarot zeichnen, was und vor allem, wie wir wahrnehmen. Schön gezeichnet, gewiss verzerrt.»

«Also unterscheiden sich Liebe und Verliebtheit, wenn ich mit deinen früheren Aussagen abgleiche. Während verliebt-sein rückblickend wohl etwas sehr Kraftvolles in sich trägt, Verliebte in einem besonderen Seinszustand empfinden lässt, so drängen auch andere Eindrücke hervor: Illusion, Täuschung; Verblendung durch in ihr wohnende Blindheit, ganz oder teilweise…»

              «Vielleicht dann, wann für manche Menschen nach einer Zeit das verliebt-Sein zurückgeht, sich abschwächt. Und an deren Stelle ein etwas beständigerer Seinszustand kommt…»

«Das wirkt mir etwas tendenziös: Auf was willst Du hinaus?»

              «Ist es nicht so, dass manche Menschen dann in einer gewachsenen Beziehungsform weiterhin in einem Mass Illusion und Täuschung verharren. Sich daneben aneinander gewöhnen…?»

«Ja, aber wer hier von Liebe spricht, hat wahrscheinlich keinen wirklichen Kontakt zu sich selbst, keine Verbindung.»

              «Warum dann?»

«Weil kein Kontakt, keine Verbindung heisst für mich auch, getrennt, abgetrennt zu sein…»

              «Von was getrennt?»

«Zuerst von mir selbst. Auch wähne ich mich, mit einem anderen Menschen, der da ist, verbunden zu sein, wenn wir mit einander sprechen, einander berühren, uns zusammen durch gewisse Lebensfelder bewegen. Doch, wenn ich in mich hinein spüre, fühle ich keine Verbindung, weder zum andern, noch – und um das geht es – zu mir selbst – zu meinem Herzen.»

              «Dieser andere Mensch, der ist uns doch wichtig. Und du meinst, da sei Getrenntsein, vor allem im Menschen selbst? Was ist es dann, was diese Menschen zusammenhält? Gibt es nicht Anziehung, die erotisch, emotional oder sonst wie sein kann?»

«Ja, jetzt kommen wir wieder zu einem zentralen Punkt: Wann fühlen wir uns von einem anderen Menschen angezogen? Zu ihm hingezogen? Was haftet hier an?
Hoffen wir in einem anderen Menschen zu finden, was uns fehlt, dann erkenne ich hierin eben genau das Moment, was uns im Anderen anzieht. Wir versprechen uns durch den Andern zu bekommen, was uns wichtig ist. Wir projizieren – darum ein Versprechen. Anhaftung darum, weil aus dieser Vorstellung eine Erwartung werden kann…»

              «Ich möchte wieder näher zu unserer Ausgangsfrage zurück: Was Liebe sei, ist.
Bis jetzt haben wir doch einige Punkte zusammengetragen, was Liebe nicht ist. Oder was Liebe ausschliesst. Gewiss klärend, bloss einer Annäherung immer noch fern. Hast du alle Gedanken in dir präsent, kannst du versuchen, mir eine positive Beschreibung zu vermitteln?»

«Hui, das schaffen wir sicherlich gemeinsam. Ich beginne mal so: Liebe ist…
Verbundenheit, aus dem eigenen Herzen heraus. In dieser Verbundenheit erfahren wir ein Bewusstsein, dass wir darüber hinaus mit einer Instanz verbunden sind, die Quelle allen Lebens ist. Etwas Vollkommenes, das nicht Ergänzung oder Veränderung im Aussen sucht. Keine Steigerung, kein Verlangen nach mehr, tiefer und weiter. Etwas, was in Bewegung ist, kontinuierlich. Fliesst, ja wie ein Strom…
Was fällt dir noch ein?»

              «Liebe bleibt frei von Erwartungen, Vorstellungen, verfolgt keine Absichten, ist uneigennützig aus Sicht der oder des vermeintlich Liebenden. Menschen, die sich lieben, tun das nicht, weil sie sich anziehen. Eben diese Menschen stellen keine Bedingungen, weder an sich noch an Andere, und an diese. Damit erscheint sie uns unverfälscht, also echt: Liebe ist Annahme, von ALLEM, was und wie es ist. Liebe schliesst Täuschung aus – nein, Liebe lässt keinen Raum für alles, was Lebendige in ihrer Liebe einschränkt. Für mich ist das so vollkommen…»

«Ja, vollkommen bedeutet auch, dass Liebe unerschütterlich ist. Und so wie wir uns der Liebe in Wort und Bild annähern, alles ihr nicht-Zugehörige abtragen, schälen – kann es sein, dass wir jetzt selbst in Liebe sind, aus ihr heraus leben, sie erfahren?
Sie korrigiert, ohne uns falsch oder schlecht fühlen zu lassen. Sie reinigt, säubert, lässt Überflüssiges abfallen, gerade weil sie allem Beachtung, Anerkennung, Wertschätzung ebenso zukommen lässt. Liebe ist mehr als…: Wir in Liebe erfahren Verbindung, Verbundenheit, wir erleben Einheit. Ja, auch hier steigen wir darüber hinaus: Tief empfinden wir Einheit, wir sind eins!»

              «Einmal mehr – ja: Da sind keine Grenzen, was auch immer sie geschaffen, gezogen haben will. Und so fällt jegliche Abgetrenntheit, wir sind eins, nicht getrennt. Erkennen, dass in uns etwas Beständiges wirkt, lebt, unvergänglich. Uns wie mit einer gütigen Hand hinführt, entdecken lässt, zurück entdecken. Oder ist es Erinnern, ein wieder-Erinnern?
Auch an eine, vielleicht sogar eine tiefe Einsicht heranführt. In uns lebt diese Liebe, sie ist rein, mächtig, ewig. Wir kommen aus deren Ursprung und kehren zu ihm zurück. Denn wir sind diese Liebe, wir sind eins. Auch glaubt etwas in uns, wir wären ein unbedeutender Teil davon, abgetrennt, verlieren uns im Nichts…»

«In Anlehnung an östliche Weisheitslehren: Die Seele sagt, ich bin alles. Und der Geist sagt, ich bin nichts. Was soll’s – ich bin Liebe, ich bin…»

              «Ja! Lassen wir die Worte im Aussen ruhen. Es in uns still werden – auch verlangt ein munterer Geist, fortzufahren. Ein Stichwort noch: Wir sind Fraktale…»

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