Die Novelle – ein Einstieg…

„Was geschieht hier? Worauf bewegen wir uns hin?“
„Ja, diese Frage habe ich schon lange kommen sehen, mich darauf gefreut.“
„Und hast du dann auch schon eine Antwort darauf?“
Ja, es wäre die Antwort wohl eines Erwachsenen, eines Menschen, der bereits viele Erfahrungen im Leben gemacht hat. Und diese Erfahrungen verarbeitet hat, zumindest versucht…
„Stellst du deine Frage nochmals und wir hören gemeinsam in uns hinein, was kommt.“

Seit einigen Wochen treffen wir uns hier draussen. In der Natur und an einem Ort, wo sich alle wohlfühlen. Wir beobachten ganz unterschiedliche Dinge, sprechen darüber und auch über Themen, die wir uns vorher ankünden. Über die Wochen nun sind diese Fragen entstanden, zuerst wie in einem Nebel oder im Dunklen, um dann in klare Worte zu finden.
So sprach Alina, eine der Älteren, diese beiden Fragen nochmals aus – ruhig, besonnen und eben mit einer erhellenden Kraft, allen Hinhörenden in sich hineinschauen zu lassen. Um dort eigene Bilder zu erkennen und sie so den Anderen darzustellen. Sprache, die innere Eindrücke, alles, was sich zeigt, übertragen, abbilden. In Worten verdichtet, welche klar und eindeutig sein wollten. Sein konnten, weil Jedes für sich danach trachtete, zu verstehen und verstanden zu werden. Das Sein und sein Scheinen übereinstimmen zu lassen…

„Was geschieht hier? Worauf bewegen wir uns hin?“
Auch wirkten Augen offen dem Aussen hin zugewandt, blieben sie so auch im Innen: Alles beobachtend zu erfassen und wie in einer lebendigen Collage abzulegen. Lebendig darum, weil all diese Eindrücke sich verändern durften. Nicht fixiert, starr festgehalten, sondern ein buntes Spiel wechselnder Gestalt, welche nicht in eingrenzenden Begriffen gefangen waren. Und so vielleicht ermatteten, in unbeweglichen Formen fest geworden.

„Hast du selbst schon eine Vermutung“ erkundigte sich ihr Cousin Elias. In seiner Haltung schwangen ‚Gwunder‘, etwas lustvoll Hinwendendes auf. Die Fragen regten ihn offenbar an. Da platzte seine jüngere Schwester Sereina heraus: „Ich hab so ein Bild von einem Samen, einem Keim, der gesetzt wird.“  
In früheren Treffen gingen sie der Entwicklung allen Lebens nach. Bäume beispielsweise streuen über Früchte ihre Samen in Form von Kernen, woraus ein neuer Baum oder gar ein Wald heranwachsen kann. Bei Menschen und Säugetieren das Verschmelzen von Eizelle und Samen. Bald darauf entsteht ein neues Wesen und gedeiht in der Obhut.

„Ja, ich erkenne etwas Ähnliches in mir. Doch weniger, dass etwas gesetzt wird oder wie ein Samen, der in Humus fällt. Sondern… es ist schon da, es beginnt zu keimen, aufzugehen, sich zu entfalten. Für mich noch nicht sichtbar, was es werden wird.“ So Sophie, eine mittlere im Kreis. Ihr Vermögen, innere Bilder in Worte zu fassen, erleichterte den Andern, eigene Eindrücke in eine Sprache zu übersetzen. Denn wie Laurent häufig feststellte, schienen seine Enkel nach Sophies Ausführungen selbst darin zu wachsen, weil sie ihre inneren Bilder klarer in Sprache übersetzen konnten. Eine feine Magie, wie alle ihren persönlichen Wortschatz erweiterten. Doch es blieb allen ein sich entfaltendes Geschick, nicht allein sich den Sinnen im Aussen Erschliessendes in Begriffe zu übersetzen. Sondern auch die Innenwelt klar darzustellen – den Anderen und davor sich selbst – etwas Natürliches, Innewohnendes gleichsam, was ungehemmt so seinen Weg ging. Eine besondere Gabe wurde ihnen so zuteil. Mündigkeit als Eben der Bewusstheit, des Wahrnehmens…

Simeon knüpfte mit einer Frage an. Mehr noch – verband Gehörtes mit seinen Eindrücken und baute auf: „Es erscheint in uns allen ein ähnliches Bild: Ein Samen, der auf seiner Muttererde zu keimen beginnt. Nun möchte ich wissen, wie Alinas ursprüngliche Frage uns zu einem ziemlich einheitlichen Bild führte. Und welche Idee du vor deiner Frage hattest?“
„Ich habe beim Hinhören auch in mir gehorcht, was ich eigentlich erfahren will. Danke dir dafür, weil du mich so motiviert hast, tiefer zu schauen. Es waren Eindrücke da, die ich nicht zusammenbringen konnte. Und in mir bildete sich eine Einsicht, dass wir uns auf eine gemeinsame Reise begeben haben, die retour betrachtet wie einer Route folgte. Jedoch blieb wie offen, ob jemand von uns eine Führung oder Leitung übernommen hat.
Für mich war wie etwas anwesend, ohne abgrenzbare Gestalt. Und fühlte ich mich eingeladen, mitzugehen, ohne in einer Weise beeinflusst zu werden. Dieses Etwas war uns Allen zugewandt – ich konnte hingegen nicht feststellen, wo es sich befand…» Alina liess ihre Worte ausklingen und gab nun Raum, den Anderen und sich selbst. Nachzuspüren und neuen Eindrücken Platz zu geben

Nach einer Pause – Laurent empfand sie wie eine Einkehr – setzte Fabian ein: «In mir kommt eine Geschichte zurück, die du uns von einem indischen Weisheitslehrer erzählt hast. Er habe erzählt, dass wir Menschen uns in einer Art Kino befänden. Die meisten schauten auf die Leinwand, worauf ein Film projiziert wird. Das mit den ‘Meisten’ blieb mir darum, weil sie sich wie mit dem Geschehen verbinden, sich mit den Inhalten gleichsetzen, fast verschmelzen. Einige würden es schaffen, sich vom Film zu trennen, Abstand zum Geschehen zu finden und sich so als Zuschauende zu erkennen. Doch die tiefste Erkenntnis sei es zu schauen, woher das Licht komme…»

Was zuerst wie ein grosser Sprung erscheinen mochte, merkten alle auf ihre Weise, dass damit etwas Verbindendes, Klärendes und Weiterführendes hinzugekommen war. Das Erinnern an diese Geschichte brachte Einsichten hervor, erstaunte und liess sie beben. Als ob in ihnen ein Kern berührt wurde. Etwas Ursprüngliches angerührt und in Bewegung gebracht. Noch erstaunlicher dann, als die Jüngste, Lucie mit einer Stimme – die alle Anderen wie über das Irdische hinausgehoben verspürten – zu sprechen begann, die alles Menschliche erschaudern, anhalten liess: «Es ist kein Samen, den wir von etwas im Aussen gesetzt bekommen haben – es ist die Entdeckung in uns, dass dieser Samen in uns ist, schon immer. Und dass wir beides in uns tragen, den Samen und das Beet, worauf er gedeihen und spriessen kann. An diesem Punkt der Reise gilt es für uns herauszufinden, welche Bedeutung dieser Samen und seine Entfaltung hat…» Stille. Unendliche Stille. Klarheit. Durchdringende Klarheit. Der Urgrund allen bewussten Seins? Der alles bewegende?





Eine Einladung, die inneren Räume zu entdecken, zu erkunden und Alles in sich freimütig zuzulassen, anzunehmen…

Dieser Text wurde einfach … nein er schrieb sich selbst, blieb unberührt von Lektorat und Korrektur


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