Tous les matins du monde sont sans retour – der einzig wahre wirkliche Moment im Leben

Was ist hauchdünn und doch so breit und tief? Der Moment, der sich eben zwischen Zurückliegendem, Vergangenem und dem, was gleich kommen wird, noch ungewiss, schieben wird. Die Gegenwart, dieser kurze wundervolle Moment, in dem sich die ganze Wirklichkeit offenbart, der genau betrachtet eigentlich immer währt. Nun, diese Pracht wird uns meist nur knapp zuteil, weil sich ankündigende Schatten oder Verheissungsvolles anberaumen. Andernteils sind da ausklingende Eindrücke und beschäftigende Wahrheit dessen, was uns noch eingenommen hat.

Lasst uns dieses hauchdünne Etwas geniessen, ungehemmt in vollen Zügen, unverdrossen, dass nebst weniger Gefreutem auch Schönes unwiderruflich gegangen ist und gleichwohl unbeeindruckt davon, was wir zu gewärtigen haben.
Die Ungewissheit, weil teilweise unvorhersehbar, was auf uns zukommen wird, sicher auch Gutes tuend, doch ob drohendem Widersinn …

Ein kurzer Abstecher ins Bewusstsein – wozu auch?! Ein geradezu angebrachter längerer Aufenthalt, davon ganz zu schweigen; die platzierte Wertigkeit sei insofern erlaubt, als dass nicht Erwartungen und Bedürfnisse des Schreibenden sich in Vordergrund bewegen wollen. Nein, vielmehr geht es darum, sich vor Augen zu führen … . Verlangen doch neu eintreffende Eindrücke unsere volle Aufmerksamkeit, dass uns ja keiner entgehen werde. Doch gerade das Gewahrwerden und –nehmen verlangt Aufmerksamkeit, die wir benötigen, um gegenüber den Eindrücken, den Sinneswahrnehmungen Stellung zu nehmen, sie mit unseren Absichten sowie deren Realisierungsformen zu konfrontieren oder schlicht die Auseinandersetzung mit unserer Umwelt, all deren noch ungewerteten Emissionen zu suchen. Warum? –Auf das soll später eingegangen werden.

Und da sitzen wir dann, mit einem Haufen unverarbeiteter Sinneseindrücken, wegen deren dichten Eintreffen oder deren Intensität. Die Behauptung sei gewagt, verdeutlicht durch die englische Ausdrucksweise „I lost my mind“, dass uns latent ein Zustand drohender Verrücktheit droht. Schützen wir uns vor konnotativen Begrifflichkeiten, gleichsam Unzulänglichkeiten: Verrücktheit bedeutet, dass wir Wirklichkeiten zu Gunsten geschützter Wahrheiten verzehrt und verschroben aufnehmen und sie dünn wahr werden lassen. Blenden und Filter helfen uns in positiver Hinsicht, das Auslassen von Stellungnahmen und das Vermeiden, Situationen und uns darin zu hinterfragen, schützen wohl mehr davor, die Energie dem vermeintlich Interessanten oder im Bezug zu unseren oberflächlich lockenden Vorstellungen, dem Attraktiven zu entziehen.
Zum Ausgang, bzw. zum eingeschlagenen Weg zurückkehrend, erscheinen dann, den Menschen im Sein und Handeln lauschend, Ausdrücke an unserer auditiven Eingabestelle, die keinen Bezug mehr zu den eigentlichen Impressionen der Sprechenden darstellen, sondern lediglich, welche Wort- oder Begriffskombinationen sie dazu abgelegt haben. Nun die Wirklichkeit wird von allen Menschen selektiv aufgenommen, oder selektiv weiter gegeben, – weiteren Beurteilungen sei hier Einhalt geboten, doch die Wirklichkeit bleibt eigentlich für alle dieselbe. Sie formt sich erst hinter Organen, irgendwo zwischendurch, damit sie alsdann in uns als Wahrheit wach wird. Die Wachheit schliesst gleich alle Bewusstseinsgrade mit ein, und am Rande bemerkt, wohl ohne Bezug auf deren Ausdehnungen, die grosse Scheinwelt der Affekte, Neuröschen und aller kleinen Aberrationen aus dem Überschneidungsbereich von Gefühlen, Emotionen (Unbewusstem) oder noch Unterbewusstem …

Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen
mein sind die Jahre nicht, die etwa mögen kommen
der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht
so ist er mein, der Zeit und Ewigkeit gemacht

Andreas Gryphius, 1671 -1714

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